Das Projekt "Erneuerte Theologie angesichts des Missbrauchs"

Das Projekt „Erneuerte Theologie angesichts des Missbrauchs“ läuft seit 2021 im Bistum Limburg.

Die Entwicklung und Gestaltung einer „erneuerten Theologie angesichts des Missbrauchs“ hat als Leitkriterium die Wahrnehmung, Berücksichtigung und Stärkung der Erfahrungen der Glaubenden und Menschen guten Willens. Dabei erschließen die persönlichen Erfahrungen und Stellungnahmen eine „Welt“, die als Unheilsort zutage getreten ist.

Eine „erneuerte Theologie angesichts des Missbrauchs“ muss sich zunächst auf das Ansehen des Missbrauchs durch die unterschiedlichen Beteiligten konzentrieren, will sie ihr Thema nicht verfehlen. Wie blicken die Menschen persönlich auf den Missbrauch in der katholischen Kirche? Wie reagieren sie darauf? Woran nehmen sie Anstoß? Wie diskutieren sie öffentlich darüber? Welche Konsequenzen ziehen sie individuell in ihrem Glaubensleben?

Eine „erneuerte Theologie angesichts des Missbrauchs“ konfrontiert mit Unversöhntheit, Schmerz, Scham und auch Bösem. Ihre Motivation speist sich aus der Hoffnung, dass es Menschen gibt, die bereit sind, Ambivalenz auszuhalten um der Wahrheit willen. Sie stellen sich unbeirrbar in den Dienst des Zuhörens, womit sie mitermöglichen, dass Verletzte Schuld dorthin geben, wo sie hingehört, und auf dem Weg des Adressierens eine bessere Zukunft wählen. So wird Aufmerksamkeit gleichsam zu einer religiösen Tätigkeit. Solche „Fülle der Aufmerksamkeit ist nichts anderes als Gebet“, wie Simone Weil sagte. Solche Aufmerksamkeit betrachtet ohne Vereinnahmung. Auf diese Art bleibt die Unterschiedenheit der Deutungshorizonte der Leidtragenden und der Zuhörer*innen gewahrt.

Wir hielten es für geboten, vielfältige Resonanzräume für einen möglichst umfassenden Erfahrungsaustausch zu schaffen, die, zumindest theoretisch, wenigstens indirekt, auch den Beteiligten zugänglich sind, die nicht (mehr) mit einander reden: Leidtragende und Täter*innen, Kirchenmitglieder und Ausgetretene, Reformorientierte und Konservative, theologische Fachleute und skeptische Wissenschaftler*innen anderer Disziplinen, regional Verwurzelte und in anderen Weltregionen und Kulturen Engagierte. Ein Erfahrungsaustausch zwischen Menschen, von denen viele mehrere der hier schematisch gegenübergestellten Positionen vertreten. Ein Erfahrungsaustausch, der von der Hoffnung getragen ist, dass das Gespräch über ein lange vertuschtes Verbrechen Bewegung bringt hin zu einem besseren Verständnis der Sachlage und einem erneuerten Miteinander.

Online-Umfrage zu Machtmissbrauch

In einer Online-Umfrage haben wir Menschen nach ihren Einschätzungen hinsichtlich des Machtmissbrauchs innerhalb der Katholischen Kirche befragt.

Dieses Projekt kann nicht zur Aufarbeitung einzelner Missbrauchsverbrechen dienen. Vielmehr soll es Ausgangspunkt einer neuen Ausrichtung christlichen Lebens angesichts des begangenen Missbrauchs sein. Es geht dabei um Anerkennung und Respekt gegenüber denen, die Gewalt in der Katholischen Kirche erlitten haben.

Ein Team aus unserem Institut wird die anhand der Umfrage erhobenen Positionen sichten und bündeln. Die Ergebnisse werden veröffentlicht und den Verantwortlichen im Aufarbeitungsprozess zur Stellungnahme vorgelegt werden.

Mitarbeitende

Die Arbeitsgruppe, welche das Projekt steuert, besteht aus folgenden Personen:

Klaus Kießling, Dr. theol. habil. Dr. phil. Dr. h.c., Professor an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main, Lehrstuhl für Religionspädagogik und Pastoralpsychologie, Leitung des Instituts für Pastoralpsychologie und Spiritualität, des Frankfurter Instituts für berufsorientierte Religionspädagogik (FIBOR) sowie des Seminars für Religionspädagogik, Katechetik und Didaktik.

Dewi Maria Suharjanto, Dr. theol., Ethikerin und Mediatorin, Co-Leiterin der Katholischen Akademie im Haus am Dom, Frankfurt am Main.

Lisa Straßberger, Dr. theol., Literaturwissenschaftlerin und Praktische Theologin, Studienleiterin der Katholischen Akademie im Haus am Dom, Frankfurt am Main.

Knut Wenzel, Dr. theol. habil., Professor für Fundamentaltheologie und Dogmatik, Goethe-Universität, Frankfurt am Main.

Hildegard Wustmans, Dr. theol. habil., apl. Professorin für Pastoraltheologie an der Goethe-Universität, Frankfurt am Main, und Angehörige der Bistumsleitung im Bistum Limburg.

Literatur

Kießling, Klaus; Straßberger, Lisa; Suharjanto Dewi M.; Wenzel, Knut; Wustmans, Hildegard (Hg.), Verstellte Heiligkeit: Umgang mit Scham und Schuld. Theologische Aufbrüche zu mehr Gerechtigkeit, Matthias-Grünewald-Verlag, Ostfildern 2024.