Manfred Lochbrunner: Hans Urs von Balthasar und das Zweite Vatikanum. Eine verpasste Chance?

Wenn der Name von Balthasar zusammen mit dem Zweiten Vatikanum genannt wird, denkt man unwillkürlich an das Faktum, dass er nicht daran teilgenommen hat. Trotzdem zählt er zu den Ersten, die unmittelbar nach der Konzilsankündigung Initiativen ergriffen haben. Bereits am 5. März 1959 legt er dem Berliner Kardinal Döpfner eine erste Stellungnahme vor, die das Konzil ganz unter die ökumenische Frage stellt. Lange bevor in Rom der Vorbereitungsapparat sich in Bewegung gesetzt hat, ist er am Werk, um die Konzilsidee zu popularisieren. Ein Forum bietet ihm seine Mitgliedschaft im wissenschaftlichen Beirat des Adam-Möhler-Instituts. Bei einer Sitzung des Beirats im März 1959 wirbt er für seinen Plan. An Ostern verschickt er das Entwurfspapier für zwei Sammelbände an die Autoren. Doch Ende Mai 1959 werden all seine Pläne von einer lebensbedrohenden Krankheit durchkreuzt. Nach der langen Genesungsphase hört man nichts mehr vom Vorhaben. Als von Juli 1960 an die Kommissionsmitglieder berufen werden, wartet man vergeblich auf eine Ernennung des Ex-Jesuiten. Doch dieser scheint sich bereits innerlich vom Konzilsprojekt gelöst zu haben. Denn mit all seinen Kräften wendet er sich nun der Ausarbeitung seiner Theologie zu und entwirft den monumentalen Plan seiner Trilogie.

Vor die Frage gestellt, ob sein Fehlen nur als eine verpasste Chance zu beklagen sei, antwortet der Autor mit der provokanten These, dass von Balthasar mit seinem Werk mehr für das Aggiornamento der katholischen Theologie geleistet hat als das Zweite Vatikanum, das als pastorales Konzil zwar einige wichtige dogmatische Lehrpunkte geklärt, aber selbst kein umfassendes Lehrgebäude errichtet hat, was bekanntlich auch nicht die genuine Aufgabe eines Konzils ist.


(Seite 396-420)

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