Philipp Höfele: Vergebung für die Täter? Überlegungen zur intersubjektiven Dimension des eschatologischen Gerichts

Eine Theologie, die angesichts der Gräuel von Auschwitz die Hoffnung auf eine Versöhnung für alle offenhalten will, muss um der Gerechtigkeit willen eine intersubjektive Dimension des eschatologischen Gerichts annehmen, bei welchem die Klagen der Opfer eine Stimme erhalten, ohne dass zugleich Gott als Schöpfer des Ganzen anzuklagen wäre. Denn derart würde man vorschnell die Verantwortlichkeit der Täter für die von ihnen begangenen Gräueltaten auf eine höhere Instanz abwälzen. Die Frage nach der Möglichkeit eines zwischenmenschlichen Verzeihens von Unverzeihbarem, wie sie von Jankélévitch, Arendt, Derrida und Ricoeur erörtert wurde, käme dabei nicht in den Blick. Doch selbst wenn die dem Menschen allein zugestandene „Möglichkeit des Guten und des Bösen“ (Schelling) ihn auch zu dem äußersten Akt einer Vergebung für die Täter befähigen sollte, so wird diese angesichts der erdrückenden Schuldgeschichte letztlich nur durch die Solidarität des auferweckten Gekreuzigten mit den Opfern möglich sein.

 

A theology which wants to keep the hope for reconciliation up with regard to Auschwitz must, for the sake of justice, assume an intersubjective dimension of the eschatological court in which the complaints of the victims are voiced without accusing God as the creator of the whole. Since, that way, one would hastily transfer the responsibility of the perpetrators for the atrocities they committed to a higher authority. The question of the possibility of an interpersonal forgiveness of something that cannot be forgiven, as discussed by Jankélévitch, Arendt, Derrida and Ricoeur, would thus go unnoticed. However, even if the “capability of the good and the bad” (Schelling), which is given to human beings alone, enables them to express their forgiveness for the perpetrators, which is a very extreme act, this forgiveness will, with regard to the oppressive history of guilt, only be possible by means of the solidarity of the crucified and resurrected Christ with the victims.

 


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