Verstorbene Mitglieder des Lehrkörpers (Auswahl)
Ulrich Niemann SJ †
P. Dr. med.
P. Ulrich Niemann SJ ist am 30. Juni 2008 in Frankfurt am Main unerwartet im Alter von 73 Jahren verstorben.
Ulrich Niemann wurde am 26. Januar 1935 in Goslar (Harz) geboren. Im November 1957 trat er in den Jesuitenorden ein und wurde 1966 zum Priester geweiht. Anschließend beendete in Münster sein Medizinstudium, das er schon nach dem Abitur begonnen hatte. Von 1972 bis 1976 arbeitete er als Assistenzarzt für Psychiatrie in Essen (bei Prof. Max-P. Engelmeier) und von 1976 bis 1979 als Assistent in der Neurologischen Universitätsklinik Essen (bei Prof. H.-J. Lehmann). 1985 wurde er mit einer Arbeit über "Suizidrisiko und Lebenssinn" promoviert.
Seit 1975 lehrte er an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen, vor allem auf dem Gebiet der Medizinischen Ethik im Rahmen der Moraltheologie. Er organisierte über 14 Jahre hinweg die jährlichen "Sankt Georgener Ärztegespräche" und leitete in den letzten Jahren seines Lebens internationale wissenschaftliche Tagungen unter der Überschrift "Gespräche über Befreiung vom Bösen".
Im Jahre 1990 bestand er sein Examen als Psychoanalytiker und trat der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie, Psychosomatik und Tiefenpsychologie e. V. (DGPT) bei. Er wurde Mitglied im Deutschen Arbeitskreis für Gruppenpsychotherapie und Gruppendynamik (DAGG) und arbeitete als Gruppenleiter in der Deutschen Balintgesellschaft e. V.
Über sein ganzes Leben hinweg bis in die letzten Tage hinein begleitete und betreute er zahllose Menschen in seiner Praxis.
Viele Male hat er sich in den Medien und in der Fachpresse als kompetenter und mahnender Experte zu Fragen und Problemen des Exorzismus und Formen psychischer Besessenheit zu Wort gemeldet. Auch für die Deutsche Bischofskonferenz war er für Fragen auf diesem Gebiet ein geschätzter Berater.
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Aus dem Kondolenzschreiben von Karl Kardinal Lehmann an den Provinzial der Deutschen Provinz der Jesuiten:
"P. Niemann vereinigte viele Kompetenzen in sich: auf dem Gebiet der Medizinischen Ethik im Rahmen der Moraltheologie, er war Facharzt für Psychotherapie und Dozent für Psychosomatische Anthropologie von Pastoralmedizin. So hat er einen großen Bogen umspannt, der ihn zu einem besonders kompetenten Ratgeber machte. Ich habe an ihm immer wieder seine strenge Orientierung an professioneller Kompetenz und zugleich seine unverkrampfte Kirchlichkeit im Sinne des hl. Igmatius geschätzt. Man konnte sich auf ihn verlassen. Dies galt besonders für die jetzt nun seit Jahrzehnten immer wieder aufkommende Diskussion zu Fragen des Exorzismus und der Besessenheit. Die Bücher, die er im Lauf der Jahre herausgegeben hat (um nur einige aus jüngster Zeit zu nennen: Exorzismus oder Therapie?, Das Böse und die Sprachlosigkeit der Theologie, Wer verantwortet das Böse in der Welt?), aber auch die vielen Artikel werden sein Vermächtnis an uns bleiben.
Aber es sind nicht nur diese außerordentlichen Phänomene, für deren Beurteilung er besonders kompetent war. Dies hat gewiss auch sein Bekanntheitsgrad in den Medien und im Bereich von Kirche und Theologie gefördert. Er war aber weit darüber hinaus ein geschätzter Begleiter und Betreuer zahlloser Menschen in seiner Praxis.
Lieber P. Provinzial, die Gesellschaft Jesu in unserem Land verliert mit Ulrich Niemann ein herausragendes Mitglied. Über 40 Jahre war er Priester. Über 30 Jahre lehrte er in Sankt Georgen, wo er auch die "Sankt Georgener Ärztegespräche" organisierte. Er hat für mich - gewiss mit vielen anderen Mitbrüdern - die Gründungsidee und die spirituelle Ausrichtung des hl. Ignatius und der Jesuiten in besonders eindrucksvoller Weise dargestellt. Gott suchen und finden in allen Dingen, und dies mit der "Unterscheidung der Geister" - dies konnte man bei ihm immer wieder in einer feinen Einheit von Medizin und Psychologie einerseits und Spiritualität und Theologie anderseits lernen, ohne dass er beides vermischte."
R. I. P.