Kontinuitäten – Brüche – Übergänge: Tagungsbericht

Die Fachtagung des Alois Kardinal Grillmeier-Instituts vom 6. bis 8. Januar 2022 beleuchtete mit 10 Referentinnen und Referenten sowie gut 60 Teilnehmenden aus unterschiedlichen Perspektiven das Thema der Bekehrung.

Im Jahr 2021/22 gedenkt der Jesuitenorden der Verwundung des Ignatius vor 500 Jahren bei der Verteidigung von Pamplona gegen französische Truppen. Diese Verwundung stellt sowohl einen Einschnitt als auch einen qualitativen Sprung seiner Biografie dar: Aus dem Ritter von Loyola wird der Pilger Ignatius. Ein Ritter ohne Pferd, weiterhin unterwegs, aber mit neuem Auftrag. Dieses Thema des "Ignatianischen Jahres" bildete den Anlass zur zweiten Fachtagung des Grillmeier-Instituts.

Am ersten Tagungsabend führte Philip Endean SJ (Centre Sèvres, Paris) am Beispiel des Jesuitenordens in die Dynamik der Bekehrung ein: „Von Milites Christi zu Dienern der Versöhnung.“ Endean machte deutlich, wie in verschiedenen Zeiten unterschiedliche Aspekte der Ausbildungsordnung der Jesuiten zur Geltung kamen. Hielt Ignatius eine nochmalige Bekehrung nach dem Eintritt in die „Gesellschaft Jesu“ für nicht mehr nötig, so ermutigen neuere Dokumente des Ordens die Angehörigen zur ständigen Bekehrung. In der anschließenden Diskussion ging es vor allem um den Unterschied zwischen Bekehrung und Berufung (conversio und vocatio).

Am folgenden Konferenztag referierte zunächst Alexander Löffler SJ über interreligiöse Bekehrungen und bleibende Identitäten. Am Beispiel der religiösen Doppelpraxis (christlich und zen-buddhistisch) dreier spiritueller Meister zeigte Löffler, dass Zen-praktizierende Christen ihrer eigenen Tradition nicht untreu werden müssen, sondern diese sogar vertiefen können. Bereits im späten Mittelalter erkannte Meister Eckhart Gott in einer vorkategorialen, prä-verbalen Erfahrung, als „Seelengrund“, was ihn aus heutiger Perspektive in eine mystische Verwandtschaft mit dem Zen-Buddhismus versetzt.

Im Dialog zwischen der muslimischen Theologin Muna Tatari (Paderborn) und Pater Tobias Specker SJ wurde anhand biographischer Brüche das jeweilige Verständnis von Bekehrung präzisiert. In der Diskussion erwähnte Tatari unter anderem den persischen Mystiker Rūmī, der jeden Menschen als „Maria“ versteht, die in sich Gott Raum gibt, um ihn so in die Welt hinein zu gebären.

Der Nachmittag stand in der Spannung zwischen dem Imperativ „Du musst dein Leben ändern“ und dem Ansatz, dass jede Bekehrung nicht vom Menschen machbar, sondern von Gott ausgehend ist. Über Peter Sloterdijks „Anthropotechniken“ referierte Dirk Ansorge (Sankt Georgen). Als Kontrapunkt dazu fasste Joachim Negel (Fribourg) die Kraft der „zweiten Bekehrung“ ins Wort. Was ändert sich bei Bekehrungen, welche Kontinuitäten gibt es? Und welche Bedeutung hat bei biographischen Brüchen die Religion?

Jeder Kontakt zu den Menschen, aber auch Berührungen Gottes können Spuren hinterlassen. Mit diesen „Narben“ befassten sich Monika Schwarz (Schmitten) aus psychotherapeutischer und Klaus Vechtel SJ aus theologischer Perspektive. Beide kamen darin überein: Ziel jeder Therapie wie auch spiritueller Begleitung ist nicht der jeweils vorausgegangene Zustand, sondern die Benennung jenes kreativ Neuem, das ohne die Verletzung nicht möglich gewesen wäre. Es geht also um eine restitutio ad maius, um eine „Wiederherstellung zum Besseren“.

Am letzten Tag stellte die reformierte Pfarrerin Juliane Schüz (Oestrich-Winkel) Karl Barths Glaubensverständnis vor. Der Basler Theologe betont die fiducia, das Vertrauen auf Gott. Im gegenwärtigen Säkularisierungskontext kann Barths Kritik an der Religion als dem Glauben hinderliches „Menschenwerk“ neue Impulse setzen.

Im Schlussreferat der Tagung setzte sich Karlheinz Ruhstorfer (Freiburg i. Br.) mit dem Thema des Selbst und der Macht in ihren geschichtlichen Konstellationen auseinander. Thematisiert wurde in diesem Zusammenhang auch die soziokulturelle Begrenztheit von Idealen, an denen sich Bekehrungen orientieren. Auch die Frage nach der Bekehrungsbedürftigkeit einer religiösen Institution wie der katholischen Kirche wurde gestellt.

Passend zum „Ignatianischen Jahr“ bleibt als Ergebnis der Tagung der Appell, das Wirken Gottes in der eigenen Geschichte und im eigenen Umfeld, aber auch in fremden Kulturen und Religionen aufmerksam wahrzunehmen – Deus semper maior.

Mihai Vlad

 

Aktualisierung: Der Tagungsband ist erschienen!

Alexander Löffler, Klaus Vechtel (Hg.): Kontinuitäten – Brüche – Übergänge. Theologie und Glaube in Lebenswenden (FTS 81), Münster: Aschendorff 2023.

 

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Vortrag Juliane Schüz
Ein Blick ins Auditorium
Vortrag Karlheinz Ruhstorfer