Zweites Theologisches Abendgespräch am 8. Juni 2022

Am Mittwoch, den 08.06.2022, fand das zweite Sankt Georgener Abendgespräch statt. Prof. Dr. Stephan Herzberg, Lehrstuhl für Geschichte der Philosophie und Praktische Philosophie an der PTH Sankt Georgen, und Prof. Dr. Franz-Josef Bormann, Lehrstuhl Moraltheologie an der Universität Tübingen, beschäftigten sich mit dem Thema „Das Naturrecht unter den Bedingungen der Gegenwart“.

„Das Naturrecht ist für viele Gebildete unter seinen Verächtern nur noch eine historische Größe.“ Mit diesem Befund leitete Prof. Dr. Herzberg in das Thema ein. „Naturrecht“, so führte er weiter aus, steht erst einmal für einen bestimmten Typ von normativer Ethik, der beansprucht, moralische Normen durch Rückgang auf die menschliche Natur zu begründen. Naturrecht in diesem weiten Sinn setzt den metaethischen Kognitivismus, eine Form des moralischen Realismus sowie einen normativen Universalismus voraus. Nach dieser kurzen Erläuterung des Naturrechts, welches in der heutigen Zeit vor allem in Gestalt des Neu-Aristotelismus auch in der philosophischen Ethik seinen Platz gefunden hat, stellte Prof. Herzberg drei Punkte zur Diskussion: Erstens die Frage, wie sich das Natürliche im Vernünftigen erkennen und zur Geltung bringen lässt. Des Weiteren wie kategorische Verbotsnormen in der Naturrechtsethik begründet werden können. Abschließend stellt er die Frage, wie offen das Naturrecht ist für die Plastizität der menschlichen Lebensform und den daraus sich ergebenden neuen moralischen Fragen.

Nach dieser kurzen Einleitung und Darstellung der Problem- bzw. Diskussionsansätze begann Prof. Dr. Franz-Josef Bormann mit seinem Vortrag. Dieser stützte sich auf die Grundthese von Philippa Foot, dass der Begriff der menschlichen Natur der alles überragende Begriff der Moralphilosophie ist. Er stellte in seinem Vortag zuallererst dar, dass die Menschen in der heutigen Zeit ein gespaltenes Verhältnis zum Natur-Begriff haben, was der Annäherung an das Naturrecht im Wege stehe. Neben diesem ersten Problem stelle auch die historische Vielfältigkeit ein Hindernis für die zeitgemäße Form des Naturrechts dar. Trotz dieser Hindernisse sei eine Auseinandersetzung mit der thomanischen Lex naturalis-Konzeption lohnend. Diese Konzeption biete in struktureller Hinsicht eine gute Grundlage, auch wenn sie in epistemologischer Hinsicht revisionsbedürftig sei. Die Rückgewinnung des Naturrechts stelle gerade für die katholische Moraltheologie ein dringendes Desiderat dar, um den Anforderungen einer globalisierten Welt gerecht werden zu können. Nach diesem Gegenwartsbezug stellte er dem Naturbegriff des Naturrechts den Naturbegriff der Naturwissenschaften gegenüber; beide schließen sich keineswegs gegenseitig aus, sondern können einander ergänzen. Abschließend plädierte er dafür, dass sich „die Relevanz des Natur-Argumentes in verschiedenen Bereichen der konkreten Lebensführung erproben“ müsse und nicht nur in abstrakten Begründungsfragen.

Auf dem Podium und im anschließenden Publikumsgespräch wurden die Thesen aufgegriffen und weitergeführt. So wurde die Frage nach der naturrechtlichen Begründung zu Geschlechteridentität oder zur Sterbehilfe aufgeworfen. Allerdings auch nach dem Grund für gutes Handeln oder die Abgrenzung zum Ansatz von Alfons Auer, dass Gott nicht nur als Motivationsfaktor diene.

Viele Fragen wurden aufgeworfen, nicht alle konnten oder sollten abschließend beantwortet werden. Sie können und sollen weiter diskutiert werden.

Die Gesprächsreihe wird am 6. Juli von Dr. Bernhard Knorn SJ, Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenik an der PTH Sankt Georgen, und Radu Constantin Miron (griech.-orth.), Vorsitzender der AcK Deutschland, Ingeborg Schillai (röm.-kath.), Vorsitzende der Diözesanversammlung Limburg, und Peter Scherle (ev.-luth.), Prof. em. für Kirchentheorie am Predigerseminar Herborn, fortgeführt. Thema dieses Abends wird „Synodalität: orthodoxe, katholische und evangelische Konzepte im Austausch“ sein. Die Abendgespräche finden in Präsenz mit Online-Übertragung statt. Es wird um eine Anmeldung beim Rektorat (rektorat(at)sankt-georgen.de) gebeten.

 

 

 

Zurück