Am 15. Mai fand das zweite Sankt Georgener Abendgespräch im Sommersemester 2024 statt. Zum Thema „Religionsförderung im säkularen Staat?“ diskutierten Prof. Dr. Michael Droege aus Tübingen, der Generalvikar des Bistums Limburg Dr. Wolfgang Pax (Limburg), der stellvertretende Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Kultus und Chancen des Landes Hessen Tobias Petry sowie der Vorsitzende des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen RA Daniel Neumann.
Zu Beginn umriss der Organisator und Moderator des Abendgesprächs, Prof. Dr. Thomas Meckel, auf das 75. Jubiläum des Inkraftretens des Grundgesetzes die Säulen des in der deutschen Verfassung ausgestalteten Verhältnisses von Staat und Religion. Die Garantie der Religionsfreiheit (Art. 4 GG), die Trennung von Staat und Religion (Art. 137 I WRV i.V.m. Art. 140 GG) sowie das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften (Art. 137 III WRV i.V.m. Art. 140 GG) bilden die Grundlage eines austarierten Zusammenwirkens von Staat und Religionsgemeinschaften. Zugleich werden die verschiedenen Aspekte und Bereiche der Religionsförderung im säkularen Staat immer wieder angefragt und müssen vor dem Hintergrund der Pluralisierung innerhalb der deutschen Gesellschaft immer neu diskutiert und plausibilisiert werden.
In ihren ersten Beiträgen betonten die Podiumsteilnehmer, dass das Grundgesetz auch in heutiger Zeit ein pluralitätsfähiges Religionsrecht vorhält, das in 75 Jahren Grundgesetz bereits gezeigt hat, dass es für Rechtsfortbildung offen ist und Grundlagen für Kooperation zwischen Staat und Religion sowie der Religionen untereinander bietet. Religionsförderung von Seiten des Staates ist in diesem Kontext als Kulturförderung, insofern die Religionsgemeinschaften als Kulturträger gesamtgesellschaftliche und staatliche Aufgaben wahrnehmen. In diesem Sinne arbeiten Staat und Religion in einem wechselseitigen Verhältnis, wobei die Art und Weise, in der die Religionsgemeinschaften ihre Religionsfreiheit verwirklichen nicht von staatlicher Seite auferlegt oder eingefordert werden kann. Gerade in den gemeinsamen Angelegenheiten, in denen Staat und Religionsgemeinschaften zusammenwirken, wie zum Beispiel beim konfessionellen Religionsunterricht oder bei der Anstaltsseelsorge zeigt sich gegenüber der aus der Geschichte heraus stark christlichen Prägung, dass sich das Feld der Zusammenarbeit pluralisiert. Aus der Perspektive der jüdischen Gemeinden bietet das deutsche Religionsrecht auch für andere Religionsgemeinschaften gute Mittel zur Entfaltung ihrer Religionsfreiheit und Kooperation mit dem Staat. Auf Seiten der Religionsgemeinschaften müssen aber auch die entsprechenden personellen, strukturellen und finanziellen Voraussetzungen vorhanden sein, um in den verschiedenen Bereichen wie der Militärseelsorge, der Gefängnisseelsorge, dem Religionsunterricht oder der Wohlfahrtpflege mitwirken zu können. Zur Frage nach der Zukunft des konfessionellen Religionsunterrichts werden auch neue Formen zum Beispiel des interreligiösen Religionsunterrichts diskutiert. Hierbei betont der Vertreter des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen, dass gerade auf Seiten der jüdischen Gemeinden ein spezifisches Interesse daran bestehe, ihre eigenen religiösen Inhalte im Rahmen eines an ein religiöses Bekenntnis gebundenen Religionsunterrichts zu vermitteln und diese Inhalte so Schülerinnen und Schüler zugänglich zu machen, die auf anderen Wegen kaum noch Zugang zu Wissen über ihre Religion haben. Zugleich zeigt sich auf Seite der christlichen Kirchen eine starke Entwicklung zu interkonfessionellem Religionsunterricht, wobei die Entwicklung diesbezüglich im Austausch zwischen Staat und Religion dynamisch bleibt. In der Diskussion um die Staatsleistungen als Entschädigungszahlungen an die christlichen Kirchen aus der Säkularisation heraus, zeigen die Podiumsteilnehmer verschiedene Möglichkeiten zur Ablösungsmodellen auf. Es wird jedoch deutlich, dass ein Ablösungsgesetz auf Bundesebene in dieser Legislaturperiode von allen Beteiligten nicht erwartet wird.
Das Abendgespräch schloss mit weiteren Fragen aus dem Publikum, die wiederum die bereits angesprochenen Themen aufgriffen. Prof. Dr. Thomas Meckel beschloss den Abend im Rückblick auf die besprochenen Themen mit dem Gedanken, dass die zunehmende religiöse Pluralisierung und Säkularisierung in Deutschland auch die Plausibilisierung von Religionsförderung notwendig macht und auch die Plausibilisierung der Religionsförderung für die christlichen Kirchen erhöht.
Das Abendgespräch wurde organisiert vom Institut für theologische Begründung des Kirchenrechts, kirchliche Rechtsgeschichte und Religionsrecht (IKRR).