„Dass Gott dazwischen bleibt“ – Jubiläumsfeier zum 10jährigen Bestehen des Stiftungslehrstuhls „Katholische Theologie im Angesicht des Islam“ an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen

„Verbindlich Miteinander Verbunden“: Unter diesem Motto feierte die Phil.-Theol. Hochschule Sankt Georgen am Abend des 7. Juli das 10jährige Jubiläum des Stiftungslehrstuhls „Katholische Theologie im Angesicht des Islam“ mit etwa 130 Gästen. Das Motto zeigt, was in den vergangenen Jahren an Verbindungen, Nerzwerken und Beziehungen gewachsen ist, und wurde zugleich am Abend selbst  in die Tat umgesetzt: Verschiedene Perspektiven aus dem jesuitischen, dem islamischen und dem akademischen Kontext kamen zusammen und wurden programmatisch in Beziehung gesetzt: Das Vorzeichen setzte der Stiftungsprofessor Tobias Specker, indem er die Entwicklung des Lehrstuhls hin auf das aktuelle Projekt der Intertheologie nachzeichnete: So führte der Weg von der Präferenz für die Differenz über die Einsicht, dass nicht Gemeinsamkeiten und Unterschiede, sondern Beziehung oder fragmentierende Separation die entscheidende Frage sind hin zum intertheologischen Konzept. Die Intertheologie, so wurde mehrfach deutlich, legt den Fokus auf die historischen und gegenwärtigen Verflechtungen von Christentum und Islam und fragt nach deren theologischer Bedeutung für das eigene religiöse Selbstverständnis. Es bietet somit einen entschiedenen Gegenpol zu den Bestrebungen, die religiöse Pluralität im Namen nationalreligiöser oder fundamentalistischer Bestrebungen zu verdrängen.

Diese Programmatik ist nicht nur von akademischer Bedeutung, sondern hat internationale Relevanz. Das zeigte der Panoramablick des Panels, das im Zentrum des Abends stand: Drei Jesuiten, die in der Türkei, in Indonesien und Indien im christlich-islamischen Dialog engagiert sind, gaben einen Einblick in die enge Verflechtung von Christentum und Islam, aber auch in die Bedrohung des Miteinanders in ihren jeweiligen Kontexten: P. Jean-Marc Balhan, der seit 25 Jahren in Ankara lebt, wies anhand der Entwicklung der türkischen Moscheearchitektur den bedeutenden Einfluss byzantinischer Kultur nach. In Bezug auf die gegenwärtige Situation problematisierte er sowohl die Identifizierung von religiöser mit nationaler Zugehörigkeit seit der Republikzeit als auch die Diskreditierung des interreligiösen Dialogs durch die türkische Politik nach dem Putschversuch 2016. Hoffnung sieht er in einzelnen religiösen Bewegungen aus sufischer Tradition, in den gegenwärtig langsam wieder beginnenden gemischt-kulturellen Veranstaltungen und vor allem in der religiösen Alltagspraxis. P. Dr. Heru Prakosa, der in Yogyakarta Theologie lehrt, stellte das sorgsam austarierte staatsprägende System religiöser Pluralität in Indonesien dar. Er betonte vor allem den offen formulierten Bezug auf den einen Gott als bewussten Graubereich, der gesellschaftliche Einheit über die jeweiligen religiösen Traditionen hinaus ermöglicht. Zugleich problematisierte er die Gefährdung der Pluralität durch gewaltsame Konflikte und setzte seine Hoffnung auf die breite traditionell-islamische Bewegung der Nahdatul Ulama, die das plurale System offen unterstützt. P. Dr. Victor Edwin, der in Delhi u.a. die Islamic Studies Association leitet und an der jesuitischen Hochschule interreligiösen Dialog unterrichtet, stellte seine sowohl intellektuell als auch erfahrungsbezogene Dialogarbeit vor. Warnend hob er hervor, dass das gegenwärtige Indien eine Nation mit zwei konkurrierenden Visionen sei: Die säkulare Vision, die den Pluralismus Indiens und seine „uralte Palimpsest-Natur“ akzeptiert, in die aufeinanderfolgende Herrscher und Untertanen ihre Visionen eingeschrieben haben, ohne die vorherigen auszulöschen, werde gefährdet durch die Hindutva-Vision, die den religiösen Pluralismus ablehnt und die hinduistische Kultur zur Stärkung der Nation privilegiert. In allen Kontexten stehen also homogenisierende und identitäre Visionen einer bewusst gestalteten religiösen Vielfalt gegenüber. Interessanterweise lässt sich die Option für die identitäre oder die plurale Vision weder einfachhin in den Gegensatz von Christentum und Islam noch von traditions- oder reformorientiert noch gar von konservativ oder progressiv bringen. Moderiert wurde das Panel von der Hamburger Professorin für islamische Theologie, Mira Sievers, die die Beiträge prägnant zusammenfasste und in einer letzten Runde die Panelteilnehmer zu persönlichen Aussagen dazu bewegte, was die Begegnung mit dem islamischen Glauben für den eigenen christlichen Glauben bedeutet.

Inhaltlich gerahmt wurde die Veranstaltung durch zwei einleitende Grußworte und ein ausblickendes Schlusswort:  Zu Beginn seines Grußworts dankte der Hochschulrektor Professor Thomas Meckel den Stiftern des Lehrstuhls herzlich für ihre Unterstützung. Die persönliche Einführung des Rektors ging im Anschluss auf den biographischen Werdegang des Stiftungsprofessors ein und hob hervor, dass in der Zusammenschau verschiedener Dimensionen – der christlich-islamischen mit der deutsch-französischen Begegnung wie auch der methodischen Interdisziplinarität von Literaturwissenschaft, christlicher Fundamentaltheologie und islamischer Koranhermeneutik - das spezifische Profil des Lehrstuhls liege. Der interreligiöse Dialog ist dank des Stiftungslehrstuhls ein wichtiges Element des Profils der Hochschule Sankt Georgen. Die Bedeutung der Netzwerkarbeit, die ebenfalls als bedeutendes Profilelement der Stiftungsprofessur herausgestellt wurde, bestätigte unmittelbar das zweite Grußwort der geschäftsführenden Professorin der islamisch-theologischen Studien an der Goethe-Universität, Armina Omerika, die in guter Kenntnis der Lehrstuhlarbeit den Dreiklang des Miteinanders im verbindlichen Verbundensein ausbuchstabierte. Die Abrundung nahm das Schlusswort der Professorin Anja Middelbeck-Varwick, Dekanin des Fachbereichs Katholische Theologie der Goethe-Universität, vor. Gerade vor dem Hintergrund aktueller politischer Debatten hob sie die Relevanz des Dialogs hervor, betonte aber auch die Notwendigkeit, ein wirklich theologisch ernsthaftes Gespräch zu führen, so dass in allen gesellschaftlichen Konfliktlagen, denen der Islam oftmals als Kristallisationspunkt und Projektionsfläche dient, die Aufgabe nicht verloren geht, die „Glaubensdimensionen der verschiedenen religiösen Traditionen auch als tragenden, existentiell bedeutsamen und verbindenden Grund wahrzunehmen und ins Spiel zu bringen“.

Diese tragende und existenziell ansprechende Dimension wurde nicht zuletzt durch die Musik realisiert: Getragen wurde die Veranstaltung durch die Beiträge von armenischer Duduk und Harfe, die Mane Harutyunyan und Miroslava Stareychinska spielten. Die sehr herzliche und interessierte Atmosphäre unter den 130 Teilnehmenden klang noch lange bei Baklava und anderen kulinarischen Spezialitäten auf der Plaza aus. 

 

 

 

 

 

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