Profil des Stiftungslehrstuhls
Der Karl Rahner-Stiftungslehrstuhl für Theologie der Spiritualität vertritt im Anschluss an das Denken Rahners einen weisheitlichen Stil der Theologie, der spirituelle, theologische und gesellschaftliche Fragestellungen miteinander zu verbinden sucht. Durch die wissenschaftlich-theologische Reflexion auf das Verständnis von Spiritualität und deren Vollzüge, leistet der Lehrstuhl einen Beitrag zum Umgang mit der Komplexität von gesellschaftlichen und kirchlichen Transformationsprozessen, die den christlichen Glauben bestimmen.
Mit Karl Rahner (1904–1984) sieht sich der Lehrstuhl in der Tradition einer Theologie, die in aller wissenschaftlichen Methodik und Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Denkströmungen gründet in einer spezifischen Ausdrucksgestalt christlicher Spiritualität – den Exerzitien des Ignatius von Loyola und der ignatianischen Spiritualität. Karl Rahners Anliegen, diskursiv-theologische Sprache und Methodik und existenziell-suchende Dimensionen des Sprechens von Gott unterscheidend in Beziehung zu halten, wird durch den Lehrstuhl aufgegriffen und in heutigen Problemhorizonten weitergeführt.
Für die Arbeit des Lehrstuhls sind folgende Anknüpfungspunkte methodisch bedeutsam:
1. Religion ist in modernen Gesellschaften nicht einfachhin verschwunden, sondern eine mögliche Option unter anderen geworden und in den Bereich privater und individueller Überzeugungen gerückt. Spiritualität ist ein Sammelbegriff geworden für verschiedenste, oftmals diffuse Transzendenzbezüge. Im kirchlichen Kontext zeigt sich, dass spirituelle Neuaufbrüche oftmals reflexionsarm und anfällig sind für geistlichen und sexuellen Missbrauch, auch weil eine erfahrungsbezogene und reflektierte Kriteriologie auf Spiritualität und ihre Vollzüge fehlt.
2. Diese im gesellschaftlichen und kirchlichen Kontext vorherrschenden Unbestimmtheiten und Gefährdungen von Spiritualität machen eine kritische Reflexion bzw. eine im positiven Sinne verstandene Neubestimmung von Spiritualität notwendig. Für die gegenwärtige Auseinandersetzung mit Spiritualität kann der Lehrstuhl im Bezug das ignatianische Erbe des Denkens von Karl Rahner eine erfahrungsbasierte Reflexion auf menschliche und spezifische Glaubenserfahrungen fruchtbar machen.
3. Ein weisheitlicher Stil von Theologie meint eine Form von theologischer Reflexion, die auch das gelebte Leben wahrzunehmen und zu verstehen und an die Tiefendimension von Erfahrung zu erinnern sucht. Ein weisheitlicher Stil von Theologie hat im Anschluss an Karl Rahner – bei aller notwendigen Spezialisierung der Theologie und ihrer Disziplinen – eine elementare mystagogische Dimension, die die theologieproduktive Suche der Spiritualität nach einer Sprache religiöser Ausdrucksformen aufgreift.
»Ich hoffe auf meine Hoffnung und auf Jesus, der sie besiegelt, d. h. ich hoffe Christ zu sein. Das jedoch ist sicher nicht schwerer als die Last des Daseins zu tragen, die jedem auferlegt ist und
die niemand abschütteln kann. Christentum ist das Ganze, darum das Einfachste
und das Unbegreiflichste, das Schwerste und das Leichteste. In diesem Sinn können
wir alle nur sagen: Ich hoffe, ein Christ zu sein.« (SW 22/1a 436)
Karl Rahner SJ
Adressaten
Neben theologisch-wissenschaftlichen Fachkreisen und Studierenden adressiert der Lehrstuhl Interessierte an Fragestellungen, die das Verhältnis Spiritualität, existenzieller Lebensfragen und Theologie betreffen durch Fachtagungen, Lectures, Veröffentlichungen. Kirchliche Multiplikatoren im Bereich Spiritualität sollen angesprochen werden durch die kritische Reflexion auf spirituelle Neuaufbrüche und die Arbeit am Spiritualitätsbegriff. Angezielt ist näherhin auch eine Mitarbeit an den Fortbildungsprogrammen des Berufungscampus Sankt Georgen.
Der Lehrstuhl ist an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen der Fächergruppe der Systematischen Theologie zugeordnet und in der grundständigen Lehre im Studiengang „Magister Theologie“ und Bachelor „Kirchliche Praxis in säkularer Gesellschaft“ im Bereich Dogmatik verankert. Die wissenschaftliche Betreuung von Doktorats- und Lizentiatsstudien ist eine wichtige Aufgabe des Lehrstuhls.
Konkrete Ansatzpunkt für die Arbeit des Stiftungslehrstuhls
Der Lehrstuhl ist durch die Mitarbeit im Beirat der AG katholische Dogmatik und Fundamentaltheologie vernetzt im Fachbereich Systematische Theologie im deutschsprachigen Raum.
In der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses arbeitet der Lehrstuhl mit im wissenschaftlichen Beirat der Karl-Rahner-Stiftung.
Der Lehrstuhl ist durch die Herausgeberschaft der renommierten Reihe „Studien zur systematischen und spirituellen Theologie“ (zusammen mit Prof. Dr. Jan-Heiner Tück, Wien, und Prof.in Dr. Ursula Schaumacher, Luzern) geprägt.
Im Sinne der „third mission“ ist der Lehrstuhl in der Mitarbeit an der Internetplatform des Jesuitenordens „kirche+“ zu den Themen von Glaubensinformation und Spiritualität mit verschiedenen E-Learning-Formaten aktiv.
International
Die Profilierung des Lehrstuhles erfolgt im Rahmen der bereits vorhandenen Vernetzung mit den europäischen Jesuitenhochschulen im Kircher-Netzwerk und der Teilnahme an der internationalen HEST-Arbeitsgruppe „Secularity and Religion“.