Georg M. Kleemann: Private Götter, öffentlicher Glaube. Richard Rorty und die Religion

Nachdem sein Neopragmatismus sich zunächst als eine völlige Überwindung von Religion und ihren möglichen Nachfolgern gegeben hatte, zeigt Richard Rorty in seinen jüngeren Publikationen eine neue Aufmerksamkeit für das Phänomen der Religion, wobei er sich allerdings in eine widersprüchliche Doppelstrategie verfängt: Plädiert er zum einen aus »antiklerikalen« Befürchtungen für die restlose Privatisierung von Religion, bemüht er sich zum anderen um ihre Transformation, die das Projekt menschlicher Selbsterschaffung, insbesondere im Rahmen des US-amerikanischen Nationalstaats, zum Gegenstand religiöser Emphase macht. Während das erste Anliegen aber zu einem (für Rortys eigene Argumentation) problematischen Ausschluss der Religionsgemeinschaften aus der öffentlichen Selbstverständigung führt, tendiert seine Variante von »Zivilreligion« durch die abstrakte Ablehnung eines Sündenbegriffs zu einer gefährlichen Selbstimmunisierung.

 

After his neopragmatism had first presented itself as the intent to overcome completely religion and its potential successors, Richard Rorty in his recent publications pays a new attention to the phenomenon of religion. Nevertheless he gets entangled in a contradictory double strategy: Out of »anticlerical« fears he pleas, on the one hand, to privatize religion entirely, on the other hand he seeks to transform it, making the project of human self-creation, especially in regard to the US-American nation state, the object of religious emphasis. Whereas the first intention excludes the religious communities in a (for Rorty’s own argument) problematic way from the public debate, his variant of »civil religion«, which abstractly rejects any notion of sin, tends towards a dangerous self-immunization.


(Seite 21-45)

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