Jahrgang 2017, Heft 3

Beiträge

Christoph Markschies: Sola scriptura: Was sollte reformatorische Theologie von katholischer Theologie lernen?

In this paper, delivered at the festive opening of the winter-term 2016/2017 at Philosophisch-Theologische Hochschule Sankt Georgen, Frankfurt am Main, it is argued, that the principle sola scriptura should be understood in an ecumenical way and not as a principle of division between the churches. Therefore, in a first step, the original meaning of this principle in the 16th century is reconstructed from an analysis of certain texts of the Reformation era, e.g. the Confessions. In a second step, discussions of 20th century German systematic theology under the keywords “crisis of the Reformation principle of scripture” are analyzed. Our proposal is that we should always read sola scriptura together with different traditions, thus using the Bible itself to avoid a one-sided reception and self-referential reading of it. Such reductionist reading of the Bible in the 2017 jubilee year of the Reformation was rightly criticized by certain Roman-Catholic theologians. A common duty for the coming years should be a common reading of the bible in order to bring together the richness of other traditions as well as one’s own. That integration of different tradition is supported with some examples.

Dieser Beitrag, der zur feierlichen Eröffnung des Wintersemesters 2016/2017 an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt am Main vorgetragen wurde, spricht sich dafür aus, das Prinzip sola scriptura ökumenisch zu verstehen und nicht als ein Prinzip, das Kirchen spaltet. Deshalb wird in einem ersten Schritt auf Grundlage einer Analyse ausgewählter Texte der Reformationszeit, vor allem der Bekenntnistexte, die ursprüngliche Bedeutung dieses Prinzips rekonstruiert. In einem zweiten Schritt werden unter dem Stichwort „Krise des reformatorischen Schriftprinzips“ Debatten aus dem Bereich der deutschsprachigen systematischen Theologie des 20. Jahrhunderts analysiert. Der Beitrag plädiert dafür, das Prinzip sola scriptura stets im Kontext unterschiedlicher Traditionen zu lesen, und dementsprechend die Heilige Schrift selbst heranzuziehen, um ihre einseitige Rezeption und selbstreferenzielle Lektüre zu vermeiden. Eine reduktionistische Bibellektüre wurde mit Recht von römisch-katholischen Theologen im Zusammenhang des Reformationsjubiläums 2017 kritisiert. Als gemeinsame Verpflichtung für die kommenden Jahre sollte eine gemeinsame ökumenische Lektüre der Heiligen Schrift stehen, um den Reichtum der anderen Traditionen in die eigenen einzubringen.

Keywords: sola scriptura, Reformation principle of scripture, ecumenical reading of the Bible, Martin Luther, Gerhard Ebeling, Karl Rahner


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Jörg Splett: „Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil; ich bin der Herr, der das alles vollbringt“ (Jes 45,7). Gott: machtvoll, wehrlos, zugewandt

God presents himself as the maker of good and evil. With Hans Jonas many theologians call him powerless – or guilty. But that is not only unbiblical, it also eliminates the possibility of prayer. On the other hand, some defensive efforts simply sound cynical in the ears of victims. Instead of defending God we should defend our faith in him, appealing to his promise that he will vindicate himself. For example, we look, finally, at the sacrifice of Isaac, the story of God’s challenge to a “hope against hope”.

Gott stellt sich als Schöpfer von Heil und Unheil vor. Mit Hans Jonas erklären ihn viele Theologen für ohnmächtig, andere sprechen ihn schuldig. Beides ist unbiblisch und macht das Gebet unmöglich. Anderseits bietet angelsächsische Theodizee solche Argumente, die die Opfer zynisch finden. Statt Gott sollten wir unseren Glauben an ihn verteidigen – in Berufung auf seine Zusage der Selbstrechtfertigung. Exemplarisch zum Schluss das Isaakopfer, neuzeitlich als Mordbefehl gesehen. In Wahrheit meint es den Ruf zu einer „Hoffnung wider Hoffnung“.

Keywords: knowledge of God, omnipotence, mystery, theodicy, sacrifice of Isaac


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Martin Breul / Aaron Langenfeld: Was ist Freiheit? Ein Versuch zur Klärung begrifflicher Missverständnisse

The concept of free will plays a significant role in many contemporary theological and philosophical debates. However, this concept is often employed in an unspecific manner, so that its meaning is quite often too vague. This article aims at resolving some of these conceptual misunderstandings. Inspired by Wittgenstein, we first develop a semantic topology of the concept of free will: How can this concept be appropriately used in ordinary language? In a second step, we investigate whether and how our topology may help to diagnose and overcome certain argumentative deadlocks, which exist only for semantic reasons, by looking into two exemplary theological discourses: the debates (1) on the defense of free will and 

 (2) on a freedom-analytical soteriology. This makes it possible to eliminate conceptual obscurities before the question of a suitable theory of free will is even raised. 

 

In zahlreichen gegenwärtigen theologischen und religionsphilosophischen Debatten spielt der Begriff der Freiheit eine zentrale Rolle. Dieser Begriff wird allerdings häufig unterbestimmt verwendet, so dass oft nicht klar ist, was Freiheit in einem spezifischen Kontext bedeuten soll. Der vorliegende Aufsatz versucht, einige dieser begrifflichen Missverständnisse zu beseitigen. Dazu wird zunächst, im Sinne Wittgensteins, eine semantische Topologie des Begriffs entwickelt: Wie kann der Begriff Freiheit normalsprachlich sinnvoll verwendet werden? In einem zweiten Schritt erfolgt in zwei exemplarischen theologischen Diskursen – den Debatten um die free will defense und um eine freiheitsanalytische Soteriologie – eine Untersuchung, inwiefern diese Topologie bestimmte argumentative Schieflagen, die semantisch begründet sind, freilegen und überwinden kann. Dergestalt können begriffliche Unklarheiten beseitigt werden, bevor die Frage nach einer angemessenen Theorie von Freiheit überhaupt gestellt werden muss. 

 

Keywords: Free Will, Free Will Defense, Soteriology, Concepts of Free Will, Karl Rahner, Thomas Pröpper


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